Wir werden alle sterben!

Ja wirklich. Wir alle. Jeder einzelne von uns. Die einen früher, die anderen später. Manch einer wird unerwartet aus dem Leben gerissen. Ein anderer wird seinen 100. Geburtstag feiern und sich im hohen Alter noch fit fühlen. Aber erwischen wird es uns alle!

Die Coronakrise zeigt uns vor allem eins: Wir haben eine riesige Angst vor dem Tod. Seien wir doch mal ehrlich. Wir haben in unserer Gesellschaft weder gelernt, mit dem eigenen Tod umzugehen noch mit dem Tod unserer Mitmenschen. Trauer findet in unserer Gesellschaft kaum einen Platz. Genauso wenig wie Wut oder Angst. Wir glauben, unendlich lange zu leben und streben an jedem Tag nach Freude, Spaß und Leichtigkeit. Doch alles, was wir erleben, hat immer zwei Pole: Tag und Nacht, hell und dunkel, Freud und Leid, Leben und Tod.

Die Zeit läuft

Was glaubt ihr, warum so viele Menschen um die 50 eine Lebenskrise erleben? Warum sie plötzlich ihr Leben umkrempeln, sich scheiden lassen, sich junge Geliebte suchen, sich eine Yacht kaufen oder sie plötzlich erkennen, dass Geld, Erfolg und schnelle Autos sie nicht erfüllen? Weil sie merken, dass das Leben endlich ist. Weil sie merken, dass sie älter und schwächer werden. Weil sie merken, dass vor ihnen weniger Leben liegt als hinter ihnen. Und das macht Angst!

Es ist nicht leicht, das Unangenehme und Unvermeidbare zu akzeptieren. Und es kommt noch dicker; Wir wissen auch nicht, wann es soweit ist. Das Leben kann jeden Tag vorbei sein. Wirklich. ES KANN JEDEN MOMENT VORBEI SEIN. Mit oder ohne Corona. Mit oder ohne Krebs. Mit oder ohne gespendete Organe. Wir können unser Leben sicherer gestalten. Wir können gesünder leben. Wir können in es in einigen Fällen auch verlängern.

Doch auch jemand, der nicht raucht, nicht trinkt, nur Bio-Gemüse isst, meditiert, autogenes Training praktiziert und auch sonst völlig vorbildich lebt, kann vom Bus überfahren, plötzlich von einem Herzinfarkt überrascht oder im Urlaub von einem Erdbeben erwischt werden.

Die Angst als Freund

Ich will das Corona-Virus nicht herunterspielen. Wir wissen alle, wie dramatisch die Lage ist. Dennoch kann das Virus uns auch helfen, nämlich dabei, unserer Angst mal ins Gesicht zu schauen. Denn eigentlich meint sie es nur gut mit uns.

Wie wär’s, wenn du sie mal fragst, was sie will?? Was wäre denn, wenn morgen oder in einem Jahr alles vorbei wäre? Oder positiv formuliert: Wenn du nur noch ein Jahr zu leben hättest, wie sollte dieses Jahr aussehen? Möchtest du in dem letzten Jahr deines Lebens genau neben dem Menschen aufwachen, neben dem du jeden Morgen aufwachst? Möchtest du dich mit den gleichen Kollegen rumärgern? Möchtest du dich mit den gleichen Themen beschäftigen, mit den gleichen Leuten Zeit verbringen, den gleichen Job ausüben wie jetzt?

Wenn wir uns unserer Endlichkeit bewusst werden, können wir auch unsere Lebendigkeit bewusster annehmen und unser Leben so gestalten, dass es uns erfüllt, wirklich erfüllt. Und ich behaupte: Wenn wir jeden Tag so leben, dass unser Herz, unser Bauch und unser Verstand davon überzeugt sind, dass wir das Richtige tun, ist der Tod weitaus weniger angsteinflößend. Im Gegenteil, dann können wir ihn als das erkennen, was er ist: Ein Geschenk an das Leben.

Photocredit: Nathan Dumlao/Unsplash