2021 – Das große Schattenjahr

Wie gern würde ich wieder einen lustigen Jahresrückblick schreiben. Euch von tollen Begegnungen, der großen Liebe, von Erfüllung und viel Leichtigkeit erzählen. Doch in diesem Jahr war alles anders.

Aber fangen wir mit dem Überraschenden an: Mein Glücksglas, in dem ich über das Jahr hinweg schöne Momente festhalte, ist voll. Viele Dinge haben mir Freude bereitet. Anrufe von Freunden, überraschende Begegnungen, berührende Filme und Songs und vieles mehr. Und dennoch: Der Raum zwischen den lichten Momenten war dunkel. Er war gefüllt mit Panik, Wut, Spaltung, Angst, Ungläubigkeit und mit dem Gefühl, getrennt und einsam zu sein.

Dabei war es doch eigentlich klar, dass das Leben mehr ist als heitere Erinnerungen, die auf kleinen, gelben Zetteln geschrieben stehen. Das Leben war immer, aber auch wirklich immer, dual. Die Gegensätze sind es, die das Menschsein ausmachen: hell und dunkel, Licht und Schatten, Freude und Schmerz. Nichts ist ohne das andere. Kein Glück kann ewig währen. Und doch schmerzt es.

Alter Schmerz dringt an die Oberfläche

Es sollte anders sein, habe ich 2021 oft gedacht. Ich konnte die Umstände nicht akzeptieren, weder in meiner kleinen Welt noch da draußen in diesem großen Chaos. Selten ist mir Akzeptanz so schwer gefallen. Selten habe ich soviel Hass, Unmut und Ablehnung erfahren. Selten war ich so verletzt, wütend und tief enttäuscht. Selten habe ich meinen Ängsten so schonungslos und direkt ins Auge sehen müssen.

Andere haben das auch. Ich durfte beobachten, was es aus ihnen gemacht hat. Wie Angst und Wut manche Menschen entstellt haben. Wie sie aufgehört haben, Fragen zu stellen und stattdessen kaltherzig urteilten. Wie sie aufgehört haben, achtsam und mitfühlend zu sein. Wie sie andere beleidigt, ausgegrenzt, belehrt und gegen sie gehetzt haben.

Und alles aus dem eigenen Frust und Schmerz heraus. Aus neuem und altem Schmerz. Ganz ganz altem Schmerz. Schmerz, der Menschen die Sicht vernebelt. Sie einhüllt in trübe, graue Angstsuppe, aus der sie sich um sich schlagend befreien wollen. Und aus der sie kaum mehr klare Gedanken und Entscheidungen treffen können.

Wird das Wasser wieder klar?

Ich hatte keine Distanz. Die Energie der Außenwelt ist durch meine Aura in meinen Körper gekrochen und hat mich manchmal fast erstickt. Nie zuvor hatte ich diese Intensität fremder Emotionen gespürt. Viel wahrzunehmen war ich gewöhnt, aber dieses Jahr hat alles übertroffen. Ich habe mich damit getröstet, dass bisher noch alles seinen Sinn hatte. Und versucht, mich in meine Höhle zu flüchten und wenn ich sie verlasse, eine Beobachterposition einzunehmen.

Aus dieser Position heraus habe ich mich gefragt, ob sich das kollektive Unterbewusste reinigt, wenn der ganze Dreck hochkommt? Wenn all der Schlamm aufgewirbelt wird wie in einem trüben Fluss? Trägt der Fluss dann all den Schlamm, die Blätter und abgeknickten Äste stromabwärts bis zum Meer, wo sich alles wieder verteilt und schließlich vergeht? Und das Wasser des Flusses irgendwann wieder klar und ruhig vor sich hinplätschert? Ich weiß es nicht. Wir werden sehen. Noch ist es dunkel und unruhig. Doch die Dunkelheit ist nichts ohne das Licht. Das Licht und die Liebe werden immer ihren Weg finden. Lasst uns dafür sorgen ❤

Photocredit: Casey Horner / Unsplash